Harlie hat geschrieben:Bitte kommt mir jetzt nicht mit 'dann mancht man das einfach trotzdem'. Nein, macht man eben nicht. Das ist der Vorteil, in einem Rechtsstaat zu leben. Wir sind so ein Staat, ob ihr es nun wahrhaben wollt, oder nicht.
Leider macht 'man' es doch, Harlie. Warum sonst sind behördliche Zugriffe auf eigentlich geschützte Bereiche wie Bankdaten, Telefonverbindungen etc. in den letzten Jahren so explosionsartig gestiegen?
Auch las ich im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Bundestrojaner (im Übrigen ein schönes Beispiel dafür, dass Behörden nichtmal vor dem Einsatz von Mitteln zurückschrecken, die ihnen durch höchstrichterliche Rechtsprechung explizit untersagt wurden - unsere Finanzbehörden machen das übrigens ebenso), dass die Zahl von Ermittlungsakten, in denen sich Ermittlungsergebnisse ohne Quellenangabe finden, in den letzten Jahren vervielfacht haben.
Sprich - man zapft halt doch mal Quellen an, die man eigentlich nicht anzapfen darf, oder die es nicht einmal geben sollte. Immerhin weiss man dann, woran man ist. Wie man daraus dann etwas gerichtsverwertbares macht, kann man dann immer noch schauen, wenn man es braucht.
Ein Stück weit habe ich sogar Verständnis für die Ermittler - ich kenne persönlich genügend Polizisten, um zu wissen, wie schwer eine ordentliche Ermittlung mit den vorhandenen Möglichkeiten oft ist.
Trotzdem wird dadurch natürlich unser Rechtsstaat ausgehöhlt. Und spätestens wenn Organisationen wie unsere Geheimdienste oder der Verfassungsschutz ins Spiel kommen, wird es richtig gruselig. Denn die scheren sich einen Dreck um Bürgerrechte, Gesetze oder Verfassung. Und bei BKA und Innenministerium sieht das leider nicht viel anders aus.
Insofern frage ich mich manchmal schon, wie es um unseren Rechtsstaat bestellt ist. Dem Grundsatz nach leben wir in einem, das ist richtig. Aber wenn sich Organe der Exekutive nicht mehr an Maßgaben der Legislative und Jurisdiktion halten, was ist dieser Grundsatz dann noch wert? Und genau das ist leider ein schleichender, aber stetiger Trend.
Bislang sind es Einzelfälle, insofern will ich hier auch nicht übertreiben. Aber die Einzelfälle nehmen zu. Damit meine ich nicht nur Extremfälle wie die rechte Terrorzelle und den Bundestrojaner. Es sind auch ganz banale Dinge, wie z.B. die Besteuerung von Zinsen auf verspätet zurückgezahlte Steuervorauszahlungen durch die Finanzämter. Etwas, wovon fast alle Unternehmen betroffen sind. Der Bundesfinanzhof hat diese Praxis für nicht rechtens erklärt. Ein höchstrichterlicher Spruch also. Allein, Finanzämter und auch das Finanzministerium interessiert das nicht. Sie machen trotzdem weiter wie bisher.
Was also hilft dem Bürger die Rechtssprechung, wenn sich die Exekutive (und oft genug auch die Legislative) nicht dran hält? Wie wehre ich mich als Bürger gegen ein mit weitreichenden Befugnissen ausgestattetes und die Rechtssprechung ignorierendes Exekutivorgan, ohne mich dabei selber strafbar zu machen?