Hier geht es ja um Spekulationen und Gerüchte und viele Faktoren sind außenstehenden Personen nicht bekannt, die den Ausschlag geben, ob eine Airline eine Route nach Hamburg anbietet oder nicht. Nur glaube ich, dass jede professionelle Fluggesellschaft nach ihren eigenen Maßstäben abwägt, ob Hamburg sich lohnt oder nicht.
Nun mögen auch viele Porsche durch die Gegend fahren, fraglich ist, ob die 23-jährigen Fahrer mit Chantalle auch tatsächlich der Eigentümer ist. Die Kaufkraft Hamburgs ist allgemein bekannt und doch verzerrt es meiner Ansicht nach das Bild etwas. Ganze Bezirke kann man als potentiellen Kundenmarkt schlicht ignorieren. Es gibt Ecken, wo selbst in der aktivsten Tageszeit weniger los ist als auf einem kleinen Wochenmarkt in Thailand. Natürlich gibt es eine sehr hohe Anzahl dänischer Gäste (bekomme ich selber mit), die aber mehrheitlich nur ab Hamburg fliegen, weil es günstiger ist. Das ist der primäre Grund. Ohne es zu sehr auszuführen, so glaube ich, dass trotz hoher Kaufkraft Hamburgs, dem Speckmantel und dänischen Kunden das Selbstbild Hamburgs leider etwas verrutscht ist.
Hamburg hatte früher ja mehr Langstrecken, aber es spielen eben viele Gründe eine Rolle, warum Hamburg eben nicht im Fokus steht, an weit entfernte Weltmetropolen nonstop angeknüpft zu werden. In Shanghai würde ich als chinesische Airline auch auf zig andere Märkte schauen, bevor man auf Hamburg schaut. Viele kleine Städte in Asien bieten schon mehr Volumen als Hamburg. Viele kennen Hamburg auch nicht, ich glaube, es wird etwas überschätzt. Hamburg hatte mal eine höhere Bekanntschaft, aber nachwachsende Generationen wissen nicht zwangsläufig, wo Hamburg liegt. Es brummt ja die Wirtschaft in Hamburg nicht so, dass es vibriert. Hamburg zehrt manchmal sogar von früheren Zeiten.
Norwegian könnte durchaus mit günstigen Tickets Volumen generieren, sollte Potential erkannt werden. Potential ist ja nicht gleich Potential. Na ja, der Trend ist doch eindeutig, dass Kunden Billigflieger wählen und hier auch noch die günstigste Variante. Also wählt die Mehrheit der Kaufkraft Hamburgs sehr billige Flüge. Das ist paradox. Wäre die Bereitschaft für normale Flugpreise gegeben, würde ja auch eine Korean Air aus Seoul kommen oder eine japanische Airline.
Eurowings: Es ist finde ich völlig legitim, dass Lufthansa in Zuge ihrer Struktur Hamburg größtenteils durch Eurowings bedienen lässt. Anders ausgedrückt: Lufthansa hätte möglicherweise stagnierende Passagierzahlen und defizitäre Ergebnisse, würde man sämtliche Flüge durch Lufthansa bedienen lassen, da offensichtlich nicht genug Fluggäste bereit wären, auch entsprechende Flugpreise zu zahlen. Was soll Lufthansa in ihrer Situation machen? Alles wie gehabt, würde nicht klappen, so verändern wie es optimal wäre, geht eben auch nicht. Eurowings ist im Verbund mit Lufthansa eben die Antwort von Lufthansa.
Lufthansa/radikal: Lufthansa bewegt sich in einem Marktumfeld, wo bestimmte Unternehmen sehr radikal und aggressiv Marktverdrängung betreiben. Lufthansa kann strukturell nicht so operieren, wie es intern optimal wäre. Es ist legitim, dass Lufthansa nach Wegen schaut, wie man sich in diesem Umfeld bewegen kann. Auch hier hat der Kunde entschieden. Lufthansa würde ab Hamburg systemweit Ertragsprobleme erleiden. Wo bleiben da die zahlungskräftigen Hamburger? Lufthansa würde ich sogar verstehen, würden sie erheblich radikaler reagieren. Der Markt erfordert es.
Hamburg kann man auch sicherlich nicht mit Amsterdam und Co. vergleichen. Luftverkehr spielte aus historischen Gründen in vielen anderen Ländern eine höhere, manchmal sogar essentielle Rolle. Deutschland ist aufgrund ihrer geringen Größe und geographischen Begebenheiten nicht so auf Luftverkehr im Alltag für die Bevölkerung angewiesen, wie in anderen Ländern. Selbst in Norwegen wurde schon vor Jahrzehnten pro Bürger viel häufiger pro Jahr geflogen, weil dort zum Beispiel das Flugzeug eine ganz andere Rolle spielt. Bis in die 1990er Jahre war aus meiner Sicht die Reiseart des Fliegens von Seiten der deutschen Bevölkerung nicht so ausgeprägt wie in anderen Ländern. Wären die hawaiianischen Inseln Teil Deutschlands, dann würde Hawaiian Air täglich unter medialem Druck stehen, wie man derart viele und kurze Flüge zwischen den Inseln anbieten kann. Das Herz schwingt beim Luftverkehr nicht mit, Luftverkehr wurde und wird stark verzögert erst eine „normale Alternative zur Bahn“. Luftverkehr ist auch eher etwas Böses. Es ist unnötig, laut und klimaschädigend, Ausnahme ist nur dann, wenn man selber reisen will.
Gemessen an der Bevölkerungszahl Deutschlands flogen deutsche Bürger nicht 7 x mal pro Jahr oder so. Auch sind die heute großen „Billigairlines“ nicht in Deutschland erwachsen, obwohl ja Deutschland als dicht besiedeltes Land logisch gewesen wäre. Impulse kamen von anderen Ländern, teilweise sogar vergleichsweise „armen“ Staaten. Und lange wurde die Nase gerümpft…
Selbst auf spanischen oder italienischen Inlandsflügen wurde in den 1980ern und 1990ern proportional zur dortigen Bevölkerung tendenziell mehr transportiert oder Finnair verknüpfte Finnland mit einem Inlandsnetz, welches sehr intensiv war, wenn man die Bevölkerungsstruktur berücksichtigte. Da füllte man auf einer Milchkannentour auch eine 155-sitzige MD-80 durch Zwischenlandungen in „Kuhdörfern“ oder Alitalia/ATI flogen aus „ärmlichen Regionen“ mit 172-sitzigen MD-80 zum nächsten Drehkreuz in Italien.
Ich glaube, dass Lufthansa und jede Airline recht emotionslos an das Geschäft geht. Hass oder Liebe gibt es nicht. Es zählen die wirtschaftlichen Zahlen und potentielle Märkte und jede Airline sieht den Markt anders und die Kundschaft entscheidet. Richtet Ryanair eine Route ein und verscherbelt Tickets unter dem Wert der eigentlichen Kosten, dann „verdirbt es den Markt“.
Der Kunde entscheidet täglich und dies führt zu dem Bild in Hamburg, welches dann ab und an negativ kritisiert wird. Airlines können proaktiv agieren, reagieren aber logischerweise auch auf Marktreaktionen. Wird Volumen nur über Defizite erreicht, nützt es nichts. Kritik liest man dann gerne.
Es würden immer nur die Märkte X bedient, die Airline Y war zu dumm, es gibt zu wenige Routen ab Hamburg und Airline hat Strecke X wieder eingestellt, Unternehmen Z zieht sich zurück und sieht keine weitere Entwicklung etc..
Das ist doch alles Konsequenz eines ganzen Cocktails. Es würde kaum eine Route eingestellt werden, wäre die Kaufkraft Hamburgs wirklich so, dass es die Airlines auch spüren.
Was meinst Du, wie sich Menschen, die in Hamburg im Luftverkehr ihr Brot verdienen, sich wundern, über die angebliche Kaufkraft und dann doch teilweise sehr ernüchternden Zahlen auf den Zettel lesen oder Nichtbereitschaft, für eine Leistung oder ein Produkt auch 5 Euro mehr zu zahlen und dann erfahren, dass das Engagement eingestellt wird…
Wären die Bedingungen und Marktpotentiale tatsächlich so brummend, dann wäre noch mehr los und Airlines würden noch mehr Engagement zeigen.
Nach dem Markteintritt von Ryanair würde ich aber – hätte ich eine Airline – mehrfach überlegen, ob es lohnenswert wäre, da ich aktuell bezweifele, ob Kunden breit sind, für ein „besseres Produkt“ auch zu buchen. Meine Maschine wäre schlecht gebucht oder nur durch Flugpreise voll, die meine Kosten nicht decken und meine Ertragserwartung nicht ermöglichen.
Keineswegs will ich Hamburg schlecht reden, bin selber aktuell vom Luftfahrtstandort Hamburg abhängig, bin echter Hamburger und es wäre schön, wenn der Luftverkehr die Nachfrage kaum befriedigen würde. Das reale Bild ist aber etwas anders, trotz steigender Zahlen. Die etwas betuchteren Gäste werden vom aktuellen Angebot abgedeckt bzw. über Drehkreuze geschleust und wenn die richtig zahlungskräftigen Kunden Wünsche haben, gibt es doch auch Privatjets. Die Mieterin im 18. Stock einer Hochhaussiedlung denkt sowieso eher an andere Dinge und weniger daran, ob Hamburg an Los Angeles angeknüpft werden sollte.
Es ist spät, mir fallen gleich die Augen zu