Eine Geschichte über den letzten Flug eines Learjets 24

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Glideslope
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Eine Geschichte über den letzten Flug eines Learjets 24

Beitrag von Glideslope »

Hier mal von mir ein kleiner Ausflug in das Thema „Flugsicherheit“. Im September dieses Jahres stürzte ein Learjet im Anflug auf Roenne/Borholm ab, beide Insassen überlebten mit schweren Verletzungen. Vor einigen Tagen wurde dazu der Unfalluntersuchungsbericht der dänischen Behörde veröffentlicht. Dieser offenbarte teils haarsträubende Fakten, zusammen mit anderen Informationen habe ich diese in Form einer Erzählung zusammengefasst.



Eine Geschichte über den letzten Flug eines Learjets 24

Es war einmal ein Learjetpilot, der flog mit einem Passagier auf dem rechten Pilotensitz von Strausberg/Deutschland nach Bornholm/Dänemark. Das Wetter war gut, optimal für eine kleinen Ausflug auf die dänische Insel. Der Flugzeugführer hatte Kerosin für den Flug getankt – zwar in nur fast ausreichender Menge – aber wer wird denn bei Unterschreitung der gesetzlich geforderten Treibstoffmenge für die Flugzeit von ganzen 15 Minuten kleinlich sein, dachte sich der Pilot. Aber eigentlich war er ja gar kein Pilot, sein Learjet 24 hatte seine Lufttüchtigkeitszulassung schon vor sieben Jahren verloren und war auch sonst nicht nachprüfbar gewartet worden. Und da Versicherungen solche Flugzeuge gar nicht mögen dürfte es für den Herrn Learjetbesitzer ziemlich schwierig - wenn nicht gar unmöglich - gewesen sein, seinen Jet zu versichern. Aber er hatte für sich zur Sicherheit während des Fluges gleich zwei US-amerikanische Pilotenlizenzen an Bord – mit verschiedenen Namen, von denen keiner mit dem in seinem Pass übereinstimmte, dafür aber mit zwei gleichen Lizenznummern. Die amerikanische Luftfahrtbehörde ließ unterdessen verlauten, dass auf den Herrn nicht mal eine Pilotenlizenz registriert ist. Eine deutsche Lizenz besaß er natürlich auch nicht – wozu auch bei einem deutsch registrierten Flugzeug?
Und eigentlich brauchte man für den Betrieb des Learjet 24 auch zwingend zwei Piloten – aber mit einem geht’s doch sicher auch, dachte sich der Learjetflieger. Er war sich sogar so sicher, dass er in einem Pilotenforum Mitflieger zum Selbstkostenpreis in seinem Jet suchte (http://www.pilotundflugzeug.de/forum/20 ... 22,4256010). Dort war man anfangs begeistert, ein Forumsteilnehmer meinte dann jedoch, dass die Bahnlänge in Strausberg mit 1200m zu kurz wäre, aber der Jetpilot wusste mit seiner zweijährigen Erfahrung und den Kenntnissen über die Fähigkeiten seiner Maschine zu punkten. Dass Selbstkostenflüge in Deutschland nur mit Flugzeugen bis vier Plätzen angeboten werden dürfen muss man dem gebürtigen Mexikaner natürlich verzeihen. Aber eigentlich war er gar kein Mexikaner, sondern ein Iraner. Selbst die mögliche Aufdeckung seines Identitätsschwindels schien ihn nicht zu stören, ließ er sich und seinen Jet doch gern während seiner Flüge filmen – ein paar Videos kann man hier sehen:
http://www.youtube.com/watch?v=01mJDM2tt7s
http://www.youtube.com/watch?v=-KbfFKQ8Cpo
http://www.youtube.com/watch?v=NYwKvBI1-wc

Nichtmal die deutschen Luftfahrtbehörden bekamen Wind von dem Herrn – wo sie doch sonst bei der Terroristenabwehr mit Hilfe der Zuverlässigkeitsüberprüfung für Piloten (ZÜP) an vorderster Front kämpften. Auch die europäische Flugsicherung war sich ganz sicher, dass mit dem Flugzeug mit dem Kennzeichen D-CMMM alles in Ordnung war, konnte es doch mit aufgegebenen Flugplänen munter in Europa mit IFR herumfliegen, im Jahre 2012 ganze 12 Mal. Das erstaunte später sogar die dänische Flugunfalluntersuchungskommission.

Nun war der Learjet im Anflug auf den Flughafen Roenne auf Bornholm, ein Warnlicht, welches auf eine niedrige Treibstoffmenge in den Flügeltanks hinwies, war aufgeleuchtet. Dabei war eigentlich genug Sprit im Flugzeug vorhanden, leider wusste der am Steuer sitzende Herr trotz seiner überragenden Kenntnisse über die Fähigkeiten des Learjet 24 offensichtlich nicht, dass man den Kraftstoff, der sich im Rumpftank befindet, mittels Pumpen in die Flügeltanks befördern muss, denn nur durch diese werden die Triebwerke mit Treibstoff versorgt. Die Treibstoffmenge wurde immer weniger, schließlich fielen im Anflug beide Triebwerke wegen Treibstoffmangels aus und der Jet fiel etwa 1000m vor der Piste in überzogenem Flugzustand in ein Kornfeld. Beide Insassen wurden schwer verletzt und konnten erst nach über einer Stunde nach dem Unfall von Rettungskräften aus dem Flugzeug befreit werden.

Soweit die Erzählung.

Links:
http://www.pprune.org/biz-jets-ag-flyin ... ost7581798
http://www.flugzeugforum.de/16-09-learj ... 71456.html
http://www.thekathrynreport.com/2012/09 ... urred.html
Unfalluntersuchungsbericht der Dänen:
http://hcl.dk/da/havarirapporter/~/medi ... 5%202.ashx


Die D-CMMM stand wohl einige Jahre im Fliegermuseum in St. Gallen-Altenrhein, dann wurde sie einer umfangreichen Kontrolle unterzogen und flog dann wieder im November 2009 (http://www.flugsimulation.ch/forum/show ... hp?t=73459). Interessant ist natürlich, wer die Kontrolle durchgeführt hat, denn es müsste aufgefallen sein, dass die Zulassung und das Kennzeichen verfallen waren.
Auch hat dieser Fall gezeigt, dass die ZÜP - wie von Pilotenverbänden von Anfang an kritisiert – wirkungslos ist.

Alles in allem ist es für mich erschreckend, dass man mit genügend krimineller Energie quasi offiziell zwei Jahre einen Learjet ohne Fluglizenz, Lufttüchtigkeitszulassung und anderen gesetzeswidrigen Gegebenheiten in Deutschland fliegen kann.
jannemann
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Re: Eine Geschichte über den letzten Flug eines Learjets 24

Beitrag von jannemann »

Alles in allem ist es für mich erschreckend, dass man mit genügend krimineller Energie quasi offiziell zwei Jahre einen Learjet ohne Fluglizenz, Lufttüchtigkeitszulassung und anderen gesetzeswidrigen Gegebenheiten in Deutschland fliegen kann.
Man denkt, soetwas gibt es nur im Kongo..doch weit gefehlt ! :shock:
Beängstigend in der Tat, dass ausgerechnet in diesem hochsensiblen Branche solche Scharlatane jahrelang unbehelligt bleiben können. Aber Deutschland ist da nicht unbedingt ein Vorbild, s. die diversen Skandale um falsche Ärzte.
Normalerweise müsste automatisch in jedem Kontrollzentrum eine Rote Lampe aufleuchten, wenn das Kennzeichen "D-CMMM" einen IFR-Flugplan aufgeben will.
Das LBA sollte sich ein paar gute Antworten überlegen..

Jedenfalls toll zusammengefasst. Dank sehr :top:

Der Fall hat es ja leider kaum in die überregionalen Medien geschafft.
http://www.berliner-kurier.de/brandenbu ... 68204.html
vG
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DC1030
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Re: Eine Geschichte über den letzten Flug eines Learjets 24

Beitrag von DC1030 »

In dem einen Video sieht man, wie der "Pilot" einen Jugendlichen steuern lässt. Und das ist keine C172, sondern ein Jet! Wahnsinn!! :o
Gruß, Thomas

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Re: Eine Geschichte über den letzten Flug eines Learjets 24

Beitrag von ConAir »

DC1030 hat geschrieben:In dem einen Video sieht man, wie der "Pilot" einen Jugendlichen steuern lässt. Und das ist keine C172, sondern ein Jet! Wahnsinn!! :o
Bulgaren haben einen ehm. Kollegen auch mal an das "Ruder" der Tu154 gelassen... hinten 150 Paxe!! der hatte nicht mal einen PC mit FLugsim zuhause!!
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